Geschichte des Fechtens in Delmenhorst

Personalisierte Sportgeschichte: Heinrich Kleemeyer und das Fechten

Fechten ist eine Kunst ohne Tücke – ein ehrlicher, sauberer, fairer Kampf.
Ein Kampf freilich, der in früheren Zeiten zumeist tödlich ausging und bei dem bis ins 15. Jahrhundert hinein alle Mittel erlaubt waren. Nicht zuletzt durch die Erfindung leichter Waffen entwickelte er sich dann zu einer sportlichen Disziplin mit tänzerischer Eleganz. Ob Duell aus Leidenschaft oder zu Leistungszwecken – die Anforderungen sowohl in körperlicher als auch in moralischer Hinsicht sind außerordentlich. Eine blitzschnelle Reaktion ist ebenso wichtig wie eine hohe Sensibilität, die von den Haar- bis in die Zehenspitzen reichen muss. Aber auch Rücksichtnahme und strenge Disziplinierung sind elementare Bestandteile des Fechtsports.

Heinrich Kleemeyer ist der berühmteste Delmenhorster Fechtmeister, und man weiß nicht, was eigentlich mehr an ihm besticht: seine turnerische Behändigkeit und die damit verbundene Eleganz der Bewegungen, die den lebenslang geübten Fechter verrät – oder die blitzenden Augen, die 84 lebenserfahrene Jahre widerspiegeln?
Kleemeyer – Künstler, Maler, Grafiker – besitzt eine feine Antenne für äußerliche und innere Vorgänge, für Menschen und Ereignisse. Seine Dynamik zeigt sich in Spontaneität und Kreativität, mit der er die Entwicklung des Delmenhorster Fechtsports vorantrieb. Er ist Ehrenvorsitzender des Fechtclubs „Grün-Weiß“, dessen Geschichte im Jahr 1921 begann.

Damals träumten sieben junge Turner des DTV davon, innerhalb ihres Übungsbetriebes eine Fechtgruppe aufzubauen. Heinrich Kleemeyer wird vielleicht, weil er schlank und behänd, sicher aber ungemein engagiert ist, dazu ausersehen, das Handwerkszeug gründlich im Bremer Arbeiter-Turnverein zu erlernen und das Know-how zurück in die Delmestadt zu bringen. Es dauert nicht lange, und der ebenso begabte wie begeisterte junge Mann führt im DTV die ersten Fechtschüler zum Erfolg. Zur Mannschaft erster Stunde gehören Karl Schofeldt, Willi Hahn, Arthur Segelken, Gustav Mundt, Franz Müller. Natürlich lernt Kleemeyer auch seine spätere Frau Anna beim Fechten kennen – sie besiegt den Meister mit eigenen Waffen. Vier Töchter werden zum Teil das Fechterbe der Eltern übernehmen…

Stolze Fotos künden von einem kühnen Sportgeist aus dieser Zeit, in der gerade die Fechtdisziplin einen hohen Stellenwert einnahm. Beim Gauturnfest 1932 wirken in Delmenhorst 100 Fechter aus Wilhelmshaven, Bremen, Oldenburg und der veranstaltenden Stadt selbst mit. Die Damen und Herren hatten noch ihre gesonderten Vorführungen Die weißen, leicht pludrigen langen Hosen und Anzüge gehorchten der Mode ihrer Zeit, hoben aber diesen Wettkampfsport zugleich sehr bewusst von anderen Disziplinen ab. „Wir von der Deutschen Turnerschaft wiesen es empört zurück, in Unterhosen rumzulaufen“, entrüstete sich Heinrich Kleemeyer mit Vergnügen über die Aufregung vieler Sportfreunde, denen das Ambiente der freien Fechter nicht zusagte.

1927 entschloss sich Kleemeyer, seinem Abenteuerdrang zu folgen und fünf Jahre lang sein Glück als freier Maler in amerikanischen Studios zu suchen. Aber auch hier ließ ihn das Fechten nicht los, er wurde Mitglied im deutsch-amerikanischen Fechtclub. Und brachte neue Erkenntnisse mit zurück, in die alte Welt. Die etwa 30 Mitglieder, die sich während seiner Abwesenheit vom DTV getrennt und zu einem eigenen Fechtclub zusammengeschlossen hatten, empfingen den verloren geglaubten Freund mit weit geöffneten Armen. Dann aber trat der zweite Weltkrieg auf den Plan, zerstörte neben vielen anderen auch diese kleine Gemeinschaft. Kleemeyer wurde 1945 als Fechtlehrer zur Ausbildung der Offiziere herangezogen, zunächst bei den Franzosen wie später auch bei den Engländern, die als Sportfanatiker der Hockey- wie den Fechtfreunden grünes Licht zur neuen Vereinskonstituierung gaben.

Heinrich Kleemeyer erhielt schon bald die Aufgabe des Bezirksfechtwarts, nun hätte er sich auch Reisender in Sachen Fechtsports nennen können! An den Wochenenden fuhr er auf seiner Vespa ungezählte Kilometer zwischen Osnabrück und Emden, von Lingen bis Wildeshausen, bis hoch nach Brake in die Wesermarsch gleichermaßen als Lehrer und Prüfer, als Turnierleiter und Organisator.
Seitdem die Ritter- und Degenromantik von neuen Helden aus dem Weltall wie Alf und anderen skurrilen Artgenossen abgelöst wurde, muss sich der Anfänger von vornherein auf die Ernsthaftigkeit des Fechtsports einlassen. Natürlich darf er zunächst sich und den Verein testen, bevor er sich endgültig entschließt, den Grün-Weißen beizutreten, um den großen dieser Vereinstraditionen  – Mario Antonini, Horst Duden, Heinrich Kleemeyer selbst oder Gisela Lehnhoff – auf den Spuren zu folgen.

Nach einiger Zeit wird der Neuling feststellen können, wohin ihn sein weiterer Weg führt. Nicht nur zu spektakulären Erfolgen, sondern zur Freude am Umgang mit den Waffen, an der Teilnahme an Turnieren und am Sich-messen-Dürfen mit Gegnern, die hinter der Maske Freunde bleiben. Er wird Heinrich Kleemeyer nachleben, der mit seiner Person weit in die Delmenhorster Sportgeschichte zurückreicht.

Wir danken dem Delmenhorster Kreisblatt für die Erlaubnis, aus dem Buch:
“Delmenhorster Sportspiegel Gestern Heute Morgen“ von Paul Wilhelm Glöckner und Angelika Cromme vom Verlag Siegfried Rieck Delmenhorst (heute Verlag RIECK GmbH & Co. KG) von 1989, den Artikel “Personifizierte Sportgeschichte Heinrich Kleemeyer und das Fechten“ (Seite 81-82)„  hier auf unserer Homepage zu veröffentlichen.